ZURÜCK ZUR MITTE
In letzter Zeit hört man immer wieder die Worte „neue Normalität“. Mir gefällt der Ausdruck nicht, er hinterlässt ein ungutes Gefühl.
Was heißt „neue Normalität“? Wenn das, was jetzt in so kurzer Zeit sich eingebürgert hat zukünftig normal ist, dann will ich das Neue nicht.
Wenn „neue Normalität“ aber heißt, dass wir wieder zu einem normalen Leben zurückkehren, finde ich das schön.
Stellt sich noch die Frage: Was ist ein normales Leben? Wissen wir das noch?
Ich denke wir sind durch die Corona-Krise, vermutlich schon viel früher, aus unserer Normalität herauskatapultiert worden. Daher wünsche ich mir, dass wir wieder zu unserer eigenen Mitte finden.
In meinem Buch „Zufriedene Kindheit – erfolgreiche Schulzeit“ habe ich beschrieben, was Konzentration bedeutet. Das Wort kommt aus dem lateinischen „concerta“ und heißt „zusammen zum Mittelpunkt“.
Zusammen zum Mittelpunkt zu gelangen wäre doch jetzt, nach dieser Krise und diesen einschneidenden Lebenserfahrungen, ein schönes Ziel.
Wie kommen wir gemeinsam zum Mittelpunkt?
Wenn wir warten, dass das andere für uns tun, warten wir höchstwahrscheinlich vergebens. Frieden fängt bekanntlich zu Hause an.
Es gibt viele Techniken, um zu seiner Mitte zu finden. Viele Wege führen nach Rom und letztendlich muss jeder seine eigenen Möglichkeiten finden. Atmen, Yoga, Laufen, Meditation, Malen, die Liste ist unendlich, wir kennen viele.
Das Problem ist eher das Tun, denn da kann uns keiner helfen. Dafür sind wir selbst verantwortlich und das ist die größte Herausforderung.
Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass alles für uns getan wird. Die Wäsche wird von der Waschmaschine gewaschen, das Internet sorgt für unsere Wünsche und kümmert sich darum, dass wir sie nicht vergessen. Sucht man z.B. nach einem Hotel in Kroatien, wird man die nächsten Wochen regelmäßig mittels Vorschlägen daran erinnert, was man eigentlich wollte. Wir müssen nichts mehr tun, es wird uns getan. Nun schreibt uns auch noch die Regierung vor, was gut für uns ist. Wir brauchen uns nur darauf zu verlassen und alles tun wie angeordnet. Dann kann uns nichts geschehen.
Wir haben uns das selbständige Tun abgewöhnt oder es wurde uns abgewöhnt. Das ist erleichternd für unseren stressigen Alltag, aber nicht unbedingt hilfreich, um zu unseren eigenen Mitte zu gelangen und diesen Zustand zu halten.
All jene, die in der Corona-Auszeit das Gefühl bekommen haben, dass es so wie es davor war nicht mehr weitergehen kann, sich etwas verändern muss und sie wieder mehr bei sich selbst ankommen möchten, will ich heute Mut machen.
Beginnt zu eurer eigenen Mitte zurück zukommen, werdet aktiv. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht immer leicht ist aktiv zu werden und zu bleiben. Ich weiß aber auch, dass es sich auszahlt diesen Zustand zu erreichen.
Bei allen Herausforderungen im Leben, größere und kleinere – Ausbildung, lange Autofahrten, Bergtouren etc. – gibt es einen Moment, in dem man am liebsten aufgeben möchte. Tut man das nicht und macht weiter, hat sich der Ergebnis am Ende immer noch ausgezahlt.
Einer meiner größten Erkenntnisse aus diesen letzten Wochen ist, dass ich nicht mehr so weitermachen möchte wie bisher. Meine „Veränderungs-Vorsätze“ habe ich schriftlich festgehalten, sichtbar gemacht und ich habe mit der Realisierung begonnen. Zwischenziele, die ich erreicht habe, werden gefeiert. Jeden Tag beginne ich aufs Neue mit meinen Vorsätzen, manchmal gelingt es mir besser, manchmal weniger gut. Aber das ist nebensächlich. Wichtig ist, dass ich begonnen habe und vor allem, dass ich weitermache, jeden Tag, mal mehr, mal weniger. Ich höre nicht mehr auf, zu meiner Mitte zu gelangen und dort zu verweilen. Das fühlt sich gut an.
Jenen, die so fühlen wie ich, möchte ich Mut machen auch damit zu beginnen. Viele Menschen in einem guten Zustand ergeben eine angenehme Umgebung, noch viel mehr eine angenehme Welt. Dazu braucht es keine Wissenschaft, das erklärt sich von selbst. Das Spiel mit der Angst hat noch nie gute Nebenwirkungen hervorgebracht.
Deshalb heute meine Bitte und Motivation: arbeitet an eurer Mitte – eure Kinder werden es euch danken.