Vom richtigen Maß…
„Ich kann dir nicht helfen, Mama! Wir bekommen von unseren LehrerInnen so viele Aufträge zugesandt. Ich habe keine Zeit.“
Den Vorwurf, dass meine Kinder das jetzt sicher nur als Ausrede verwenden, habe ich schon wieder zurückgenommen.
Ich habe auch schon von anderen Eltern Rückmeldungen bekommen — einige LehrerInnen verlangen da wirklich viel und das scheint mir ein wenig maßlos zu sein.
Zu Hause lernen, leben und arbeiten – für einige auf engstem Raum – ist eine Herausforderung.
Aber auch so braucht unser Leben gerade das richtige Maß.
Wir haben momentan einige Herausforderungen zu meistern und einiges zu bedenken.
Soziale Begegnungen
Nicht nur für uns ist das jetzt eine völlig neue Situation. Nein, vor allem unsere Kinder befinden sich in einer Ausnahmesituation.
Für einige von uns Erwachsenen ist es jetzt nach Woche 1 vielleicht noch ganz in Ordnung, sich vom Alltags- und Freizeitstress für eine Weile zu verabschieden. Unser Koller kommt erst…
Für unsere Kinder ist es jetzt schon oder sehr bald eine Herausforderung. Sie dürfen nämlich ihre FreundInnen nicht sehen, außer virtuell. Möglicherweise ist das am Beginn noch spannend, weil neu. Aber das dauert nicht lange.
Kinder brauchen soziale Begegnungen mit Gleichaltrigen viel mehr als Erwachsene. Das wurde ihnen beinahe von einem Tag auf den anderen genommen.
Zeit und Verständnis
Gerade diese beiden Werte geraten in herausfordernden Zeiten, in denen wir gerade leben, schnell in den Hintergrund.
Haben wir nicht ohnehin schon genug Sorgen? Wie geht es wirtschaftlich weiter? Bleiben Familienmitglieder, die der Risikogruppe angehören, gesund? Behalte ich meinen Arbeitsplatz?…
Wir sind in einer Ausnahmesituation. Auch unsere Kinder müssen sich umstellen auf eine völlig veränderte Situation. Das braucht Zeit und Verständnis.
Lernen – NEU
Ja, unsere Kinder müssen weiterlernen. Ich bitte darum! Aber das Maß muss stimmen.
Bedenkt, bis jetzt durften viele SchülerInnen in den Schulen nicht frei und selbstbestimmt arbeiten. Von einem Tag auf den anderen müssen sie das nun tun.
Liebe LehrerInnen, diese Kinder sind doppelt überfordert – lasst ihnen Zeit für die Umstellung und setzt auf das richtige Maß.
Liebe Eltern, auch ihr seid jetzt auf vielen Ebenen gefordert. Aber helft den Kindern, die Einteilung brauchen, mit Ruhe und Geduld sich dabei gut einzuleben.
„Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, hat meine Oma immer gesagt. Ja, Neues braucht Zeit, Geduld und Verständnis.
Kinder müssen erst lernen mit dieser Freiheit umzugehen, lange haben wir ihnen das verwehrt.
Trennungsschmerz
Viele unserer Kinder mussten an einigen Nachmittagen zu den Großeltern, ob sie wollten oder nicht. Jetzt dürfen sie nicht mehr.
Die meisten Kinder haben ihre Großeltern sicher sehr gerne besucht und ein inniges Verhältnis zu ihnen aufgebaut. Sie werden sie vermissen. Hinzu kommt noch die Angst um diesen ominösen Virus, der so gefährlich ist, dass sie ihre Großeltern für länger Zeit nicht mehr sehen dürfen.
Meine Großmutter war für mich eine der wichtigsten Personen in meinem Leben und ich vermisse sie täglich. Heute bin ich froh für sie, dass sie das nicht mehr erleben muss. Denn ihre Enkel und Urenkel für einige Wochen nicht mehr sehen zu dürfen, wäre für sie sehr schlimm gewesen. Wäre mir das als Kind passiert, hätte mich das sehr getroffen, sie nicht sehen zu dürfen.
Vielen unserer Kinder geht es ähnlich und das braucht jetzt viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Maß an Verständnis.
Wie kann ich in dieser herausfordernden Zeit — bei einigen kriselt es vielleicht schon, bei den anderen kommt es möglicherweise in den nächsten Tagen und Wochen dazu — das richtige Maß finden?
In der Theorie ist es logisch und leicht sich vorzunehmen liebevoll zu handeln und das richtige Maß zu finden.
In eskalierenden Situationen ist es unmöglich, da kracht es dann einfach. Das ist kein Problem – kommt in den besten/in allen Familien vor. Hier ist es nur wichtig im Nachhinein wieder miteinander zu sprechen und sich gegenseitig zu versichern, dass man sich mag.
Ich möchte euch eine Übung aus dem Coaching mitgeben. Glaubt mir, sie hilft, um die Dinge wieder aus einer anderen Perspektive zu sehen und dann nächstes Mal anders zu reagieren. (Habe ich als vierfache Mutter ausprobiert und mit Erfolg angewendet.)
ADLER, AMEISE, STIER
(Danke Frau Dr. Erika Kleestorfer für diese Übung)
Schreibe dir eine Situation auf, die dich immer wieder belastet, die du gerne verändert hättest.
Stell dir einen Adler vor. Er beobachtet die Situation aus einer angemessenen Entfernung – aus der Vogelperspektive. Er hat den größten Weitblick und sieht die Dinge in einem größeren Zusammenhang.
Was könnte er anders sehen als du?
Stell dir nun eine Ameise vor. Sie agiert im Verborgenen, kommt überall hin und hat Einblick in dahinterliegende Strukturen.
Was könnte sie sehen, dass du momentan nicht sehen kannst.
Stell dir nun einen Stier vor. Er betrachtet die Situation im „Näherkommen“. Während er sich auf das Problem zubewegt, sieht er Dinge, die durch das Näherkommen entstehen in Zeitlupe.
Spätestens wann muss du als Stier einen anderen Weg wählen, um nicht ins rote Tuch zu laufen?
Ich wünsche euch viel Erfolg bei der Übung,
das richtige Maß, nicht zu viel und nicht zu wenig
Rosemarie Peer
www.rosemariepeer.at
P.S.: An alle, denen meine Blog-Einträge hilfreich erscheinen, bitte ich sie zu teilen, dann
können sie auch noch vielen anderen Familien helfen. DANKE